1. Mobilität gehört zur urbanen Identität
Mobilität – innerhalb der Städte und über ihre Grenzen hinaus – gehört zur urbanen Identität. Mobilität stiftet grossen individuellen, gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Nutzen. Das zeigt sich auch im ungebrochenen und weiter zunehmenden Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung.
Eine ganzheitliche Mobilitätspolitik erfordert den Einbezug aller genutzten Verkehrsträger. Die Bedürfnisse des öffentlichen Verkehrs (ÖV), des motorisierten Individualverkehrs, des Fuss- und Veloverkehrs wie auch der Logistik bzw. des Güterverkehrs sind alle zu berücksichtigen.
Die verschiedenen Anspruchsgruppen (Erwerbstätige, Seniorinnen, Kinder, Jugendliche, Erholungssuchende, Gewerbler, Unternehmerinnen, etc.), haben unterschiedliche Bedürfnisse, die sich im Tagesverlauf und bei wandelnden Lebensumständen verändern.
Mobilität ist bis heute ein zentraler Treiber der Raumentwicklung. Deshalb ist städtische Mobilitätspolitik auch Agglomerationspolitik. Die Bedürfnisse von Privatpersonen und Unternehmen verlangen, dass die Stadt nicht ausschliesslich in ihren politischen Grenzen gedacht wird. Raumplanung und Verkehrsplanung sind – entgegen der heutigen Praxis – eng miteinander zu verflechten. Gerade auch neue technologischen Angebote machen es möglich, die Agglomerationen und die Kantone in die städtische Mobilitätsentwicklung einzubeziehen.
Mobilität ist etwas Positives, bringt aber auch negative Begleiterscheinungen wie Schadstoffausstoss, Umwelt- und Lärmbelastung oder Staukosten. Städte und ihre Agglomerationen sind entsprechend mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert.
2. Herausforderungen der Mobilitätspolitik
Schweizer Städte sind auf knappem Raum gebaut. Eine Erweiterung der Fläche zur Sicherung aller Mobilitätsbedürfnisse ist oft nicht möglich und die angestrebte bauliche Verdichtung verlangt, Grün- und Freiräume zu erhalten. Verschiedene Verkehrsträger treten so in Konkurrenz zueinander um den knappen Strassenraum. ÖV-Nutzerinnen, Autofahrer, Fussgängerinnen und Velofahrer beanspruchen alle Platz für ihre Bedürfnisse. Wenn die Verkehrsflächen voneinander abgetrennt und nicht vermehrbar sind, wird der Kampf um Platz zum Nullsummenspiel. Es ist klar: die perfekte Lösung für alle gibt es nicht. Meistens gelingt es dem ÖV am besten, auf gegebenem Raum am meisten Personen gleichzeitig transportieren.
Wer in der Stadt wohnt, profitiert von kurzen Wegen bei Arbeit und Freizeit. Zugleich sind die Städte keine Inseln: Sie müssen offen bleiben für alle. Das Mobilitätsangebot muss sich auch daran Seite 2 orientieren, ohne die Lebens-, Wohn- und Aufenthaltsqualität in der Stadt zu beeinträchtigen. Denn die Menschen, die in wachsenden Städten wohnen, sind besonders von den negativen Auswirkungen des Verkehrs – insbesondere den Schadstoff- und Lärmemissionen – betroffen. Generell hoch zu gewichten ist die Sicherheit der schwächeren Verkehrsteilnehmer, sei es aufgrund ihres Alters oder weil sie zu Fuss oder mit dem Velo unterwegs sind. Schliesslich verlangen die Klimaziele, dass die Mobilität in Zukunft ohne CO2-Emissionen auskommt.
3. Forderungen für die nächsten fünf Jahre
Damit die Städte den vielfältigen Mobilitätsbedürfnissen gerecht werden, setzt FDP Urban auf die folgenden mittelfristigen Forderungen:
- Bahn, Tram und Bus als Rückgrat städtischer Mobilität erhalten: Die Flächeneffizienz des ÖV ist unerreicht. Städtische Mobilität zur Beförderung vieler Menschen in den verkehrsreichsten Zeiten des Tages kann auch in den nächsten Jahren nur der ÖV gewährleisten. Deshalb muss Stadtverkehr hauptsächlich über einen attraktiven ÖV ermöglicht werden.
- Strassenflächen für verschiedene Verkehrsträger erhalten: Raum für Mobilität muss auch in Zukunft zur Verfügung stehen. Nur so kann die Nachfrage nach allen Verkehrsmitteln und für den Personen- und Güterverkehr befriedigt werden. Wie Strassenflächen verteilt werden, ist im Einzelfall zu entscheiden; aber sie müssen erhalten bleiben.
- Entflechtung der Verkehrsträger: Die verschiedenen Verkehrsmittel (ÖV, Auto, Velo, Fussgänger) sollen möglichst auf eigenen Spuren verkehren, die voneinander auch baulich abgegrenzt sind. So lassen sich angemessene Geschwindigkeit, Sicherheit und Komfort für die Nutzenden aller Verkehrsarten gewährleisten. Zudem sind flexible (z. Bsp. temporäre Brücken), lärmreduzierende (z. Bsp. Tieferlegung, Flüsterbeläge) und digitale (z. Bsp. Verkehrssteuerung) Infrastrukturen vermehrt zu nutzen.
- Kostenwahrheit und Kostentransparenz: Wer Mobilität will, soll auch die damit verbundenen Kosten tragen. Eine verursachergerechte Verkehrsfinanzierung (Mobility Pricing-Modelle), die auch zeitliche und örtliche Knappheit berücksichtigt, führt zu einer optimalen Nutzung der Mobilitätsinfrastruktur.
- Digitalisierung und Automatisierung: Intelligente Verkehrssteuerungen (z. Bsp. Ampeln, Signale) erlauben es, Verkehrsspitzen zu brechen, die Infrastruktur gleichmässig auszulasten oder den Suchverkehr in den Städten zu reduzieren. Dazu gehören auch Parkleitsysteme und die elektronische Bewirtschaftung des öffentlichen und privaten Parkraums. Mittels Mobilitätsplattformen, die individuellen und kollektiven Verkehr miteinander verknüpfen, lassen sich verschiede Angebote bündeln und gemeinsam nutzen (Sharing).
- CO2-neutrale Mobilität: Die Umstellung des Verkehrs auf neue Antriebsformen trägt wesentlich zur Erreichung der städtischen Klima- und Emissionsziele bei. Zentral dafür ist der rasche Ausbau der Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum wie auch in den privaten Wohn- und Geschäftsgebäuden wie auch die Sicherstellung der notwendigen Infrastruktur für den ÖV und den Individualverkehr (Auto und Velo). Wir verweisen auf unser Positionspapier zur Elektromobilität vom Mai 2021.
- Urbane Logistik sichern: Unternehmen und Privatpersonen (Stichwort: eCommerce) sind auf eine funktionierende Logistik angewiesen. Da der Platz in der Stadt knapp und begehrt ist, muss die Raumplanung Umschlagplätze für Waren (Logistik Hubs) vorsehen. Idealerweise sollen diese einen direkten Anschluss an das Bahn-Schienennetz haben, damit möglichst viele Güter auf der Schiene in die Stadt transportiert werden können. Umschlagplätze in Quartieren können zudem die Feinverteilung via Elektromobilität unterstützen.
4. Chancen einer künftigen Stadtmobilität im Umbruch
Mobilität hat sich immer verändert und wird es auch künftig tun. Neue technologische Möglichkeiten wie autonomes Fahren, multimodale Mobilität oder Shared Mobility eröffnen neue Chancen. Die Seite 3 Vorteile des heutigen öffentlichen Verkehrs (emissionsarm, leistungsfähig, platzsparend) und des motorisierten Individualverkehrs (bequem, Punkt-zu-Punkt) lassen sich so künftig kombinieren.
Autonomes Fahren kann viele Vorteile bringen: So lässt sich der knappe Strassenraum effizienter nutzen und die Sicherheit erhöhen (90% der Unfälle sind auf menschliche Fehler zurückzuführen). Die Nutzenden können während der Fahrt – wie im ÖV – anderen Tätigkeiten nachgehen und direkt an den Zielort gelangen. Zudem sinken durch Shared Mobility die Kosten, da die Fahrzeuge, die heute 95% ungenutzt herumstehen, permanent im Einsatz stehen. Auch die Parkierungsprobleme werden sich entschärfen, da autonome Fahrzeuge nach dem Ausladen der Passagiere direkt weiterfahren. Längere Parkierungen (z.B. nachts) erfolgen an der Peripherie.
Ob sich diese Vorteile in fünf oder erst in dreissig Jahren realisieren lassen, ist schwierig zu prognostizieren. Wer an die Einführung des Computers, des Internets oder des Smartphones zurückdenkt, weiss, dass Gesellschaft und die Politik oft überrascht wurden von der Geschwindigkeit des technologischen Wandels und der Bereitschaft der Menschen, diesen anzunehmen.
Es ist deshalb von zentraler Bedeutung, dass wir uns schon heute mit diesen neuen Technologien auseinandersetzen. FDP Urban fordert deshalb:
- Mobilität der Zukunft in Strategien abbilden: Schweizer Städte müssen die Chance des autonomen Fahrens frühzeitig angehen. Es braucht Szenarien auf verschiedenen Zeitachsen zur Entwicklung und Umsetzung einer auf Sharing-basierenden Mobilität.
- Autonomes Fahren erproben: Mit Pilotprojekten lassen sich neue Technologie ausprobieren und die Auswirkungen auf die künftige Infrastruktur analysieren. Dies muss in Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen erfolgen, um sich die nötigen Kompetenzen in technologischer sowie verkehrs- und raumplanerischer Hinsicht anzueignen.
- Investitionen weitsichtig planen: Statt einfach den Status Quo (auf Strasse und Schiene) zu zementieren, sind Investitionsentscheide vor dem Hintergrund technologischer Veränderungen zu analysieren. Möglicherweise braucht es künftig mehr Investitionen in digitale Infrastruktur und weniger in physische Infrastruktur.
November 2023 | www.fdp-urban.ch